Die Hochsensibilität

 

Bei der Hochsensibilität, die stellenweise auch als Hochsensititvität oder Hypersensibilität bezeichnet wird, handelt es sich weder um eine psychische Erkrankung noch um einen Modebegriff der neuen Zeit oder westlichen Welt.

 

Außerdem ist es mir wichtig zu erwähnen, dass dieses charakterlich-neurologische Wesensmerkmal, das mit großer Wahrscheinlichkeit erblich bedingt ist, selbstverständlich unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann und deshalb – wie nahezu alles im Leben – differenziert zu betrachten ist.

 

Denn: Genauso wenig wie es „die Männer“, „die Frauen“, „die Kinder“, „die Krankenschwestern“, „die Architekten“ usw. gibt, gibt es eben auch nicht „die Hochsensiblen“.

 

Wenn wir uns eine Skala von Null bis Einhundert vorstellen, wäre zum Beispiel ein vollkommen gefühlloser Massenmörder bei Null und ein Hochsensibler, der in der maximalen Ausprägung als Einsiedler, völlig zurückgezogen auf einer, außer von ihm, unbewohnten Insel lebt, bei Einhundert.

 

Allzu ausführlich kann und will ich an dieser Stelle nicht werden – das Thema ist zu komplex und umfangreich.

 

Aber, um im Bild der Skala zu bleiben – es gibt nicht nur optisch im Bezug auf den Bereich von Null bis Einhundert, eine große und augenscheinliche Diskrepanz: „Der Massenmörder“ ist schwerlich zu verändern und bleibt, Zeit seines Lebens, gefährlich für die Allgemeinheit. Für den „Eremiten“ gilt das nicht – im Gegenteil. Er schadet, wenn überhaupt irgendeinem Menschen, dann nur sich selbst, in dem er sich in die vollkommene Isolation begibt und sich jedwede sozialen Kontakte versagt.

 

Mein Ansatz in der Annäherung an das Thema Hochsensibilität ist ein pragmatischer und praktischer.

 

Ich möchte die Menschen erreichen und unterstützen, die aufgrund ihrer großen Empathie, in einer immer schneller und oberflächlicher werdenden Welt, mit dieser außergewöhnlichen, seltenen Gabe hadern weil ihnen, aufgrund mangelnder Kenntnis und/oder fehlendem Interesse des privaten und/oder beruflichen Umfelds mit Unverständnis, Ausgrenzung oder Ablehnung begegnet wird.

 

Kommt ein Hochsensibler zum ersten Mal in seinem Leben in Berührung mit dieser seiner „Lebens-Thematik“, stellt sich oft oder fast immer, spontan und kurzzeitig ein Hochgefühl, beziehungsweise zumindest eine gewisse Erleichterung ein: „Endlich weiß ich, warum ich mich immer so anders war/bin.“ Oder: „Ich bin nicht allein. Es gibt noch andere, die fühlen und denken wie ich.“

 

Im Anschluss erfolgt meist eine gewisse Ernüchterung: „Wie soll ich damit umgehen? Gut durchs Leben kommen? Usw.“

 

An diesem Punkt setze ich an, denn ich habe diesen Prozess selbst durchlaufen.

Wer eine „Übernacht-Lösung“ erwartet, wird voraussichtlich enttäuscht werden.

 

Es gilt, das eigene Umfeld so behutsam und transparent wie möglich in den eigenen Erkenntnis- und Entwicklungsprozess miteinzubeziehen. Und dies – das möchte ich gleich dazu sagen – ist häufig alles andere als leicht. Es wird sich unter Umständen einiges im „hochsensiblen“ Leben verändern (müssen) – und das braucht Zeit.

 

 



Meine eigene Geschichte

 

Meine eigene Geschichte mit der Hochsensibilität

 

Über einen Zeitraum von vielen Jahren, wurde ich immer wieder, von den unterschiedlichsten Menschen, sowohl aus meinem beruflichen, als auch privaten Umfeld auf das Thema „Sensibilität“ angesprochen. Dabei waren die Aussagen mir gegenüber in der Wortwahl relativ vage bzw. hatten einen allgemeingültigen Tenor.

 

So sagte mir zum Beispiel, im Zuge einer beruflichen Weiterqualifikation, die altgediente Chef-Psychologin des Konzerns, für den ich damals arbeitete, ich müsste auf mich aufpassen, denn ich wäre sehr sensibel.

 

Erst viele Jahre später verwendete eine Bekannte den Begriff „hochsensibel“ und erläuterte ihn mir in groben Zügen.

 

Diese Erläuterung, sowie die von mir irgendwann realisierte Häufung der diesbezüglichen Ansprache meiner Person, veranlassten mich dazu, mich näher mit diesem Thema zu befassen.

 

Eine erste Recherche im Internet ließ mich bereits hellhörig werden. Als ich mir dann die dementsprechende Lektüre besorgte hatte, stellte sich relativ rasch ein „Aha-Erlebnis“ ein.

Ich dachte spontan: Schau an, da hat jemand ein Buch über Dich geschrieben.

Denn: ich hatte schon seit ich denken kann, immer wieder und immer stärker das Gefühl, irgendwie „anders“ zu sein.

Allerdings hatte ich bis dato stets versucht, das logisch herzuleiten und mir selbst mit diversen Schicksalsschlägen, Unfällen und einer Nah-Tod-Erfahrung, die ich schon seit frühester Kindheit zu verkraften hatte, bzw. machen musste, zu erklären.

 

Festzustellen, dass es in meinem Leben nicht nur ein „Ei“ sondern auch die passende „Henne“ dazu gibt, war Erleichterung und Schock zugleich. Denn auch wenn ich zunächst ein fast euphorisches Gefühl verspürte, ob der Tatsache, endlich zu wissen, was mit mir los ist und vor allem festzustellen, dass ich mit dieser „besonderen“ Eigenschaft nicht alleine bin, stellte sich doch auch einigermaßen zügig ein Gefühl der Ernüchterung bzw. Sorge ein und tausend Fragen schwirrten mir plötzlich durch den Kopf:

 

Wie gehe ich damit um?

 

Wie kann ich damit (gut) leben, ohne „unterzugehen“?

 

Was muss ich in meinem Umfeld ändern? Usw...

 

Denn das, was ich in keinem der Bücher oder den Texten, die ich bis dato gelesen hatte finden konnte, waren Lösungsvorschläge oder Ideen, wie man mit dieser „Gabe“ in der heutigen Zeit zurecht kommen kann. Ganz besonders auch deshalb, weil die Welt, nicht nur subjektiv betrachtet immer schneller, kälter und oberflächlicher wird. Was, wie ich persönlich finde, in Deutschland in einem noch sehr viel höherem Maße der Fall ist, als in anderen (europäischen) Ländern.

 

Dies ist jedoch vermutlich keine reine Frage der Mentalität im allgemeinen, sondern hängt nach meinen Erfahrungen und Recherchen auch mit den bis heute immer noch nachwirkenden Kriegsgeschehnissen zusammen.

 

Hochsensible Menschen gab es schon immer.

 

Die Wissenschaft ist mit der Erforschung dieses Themas zwar noch einigermaßen am Anfang aber so wie ich das verstanden habe, ist diese besondere Disposition (da es hier auch um neuronale Verknüpfungen/Besonderheiten geht) genetisch bedingt und wird somit weiter vererbt. Allerdings gab es weder nach dem ersten noch nach dem zweiten Weltkrieg professionelle Hilfe und Unterstützung für traumatisierte Menschen.

 

Der Grund dafür, warum ich diese Thematik, die auch unter dem Begriff „Transgenerationales Trauma“ bekannt ist, hier in aller Kürze anspreche ist, dass ich selbst familiär davon betroffen bin. Mein leiblicher Großvater, väterlicherseits, hat einige Jahre nach Kriegsende Suizid begangen, was ich erst erfuhr, als ich bereits weit über Dreißig war. Die Folgen dieser Verzweiflungstat wirken bis zum heutigen Tage in meiner Familie nach. Auch für meine Mutter hatte der zweite Weltkrieg Konsequenzen, die ich schon als kleines Kind leidvoll erfahren musste und die bis ins hier, heute und jetzt reichen. Ich habe recherchiert und bin dabei gegen hohe Mauern gelaufen. Allerdings kann ich auch gerade aus dieser Erfahrung heraus diesbezüglich Hilfestellung geben.

 

Des weiteren hatte ich selbst mit Traumatisierung und Re-Traumatisierung zu tun. Ich habe nach einem schweren Autounfall (der weder mein erster, einziger oder gar Schlimmster, sondern einfach nur die giftige Kirsche auf der schlechten, lang-gebackenen Torte sehr vieler unguter Ereignisse war) eine Trauma-Therapie absolviert und weiß, wie schwer es ist, einen (geeigneten) Psychotherapeuten zu finden. Ich verfüge diesbezüglich über eine Liste und Kontakt-Daten, die ich im Falle eines Falles gerne weitergebe. Und – ich kann und werde Sie auf diesem Weg begleiten, denn die Warte-Listen sind zum Teil lang und man ist im akuten Fall oft selbst nicht in der Lage, sich die dringend benötigte Hilfe zu suchen.